Wer früh genug zu den Spielen der Biber in die Anhalt-Arena kommt, der hat es bereits schon gesehen: das spezielle Aufwärmprogramm von Tillman Leu. Schon über eine Stunde vor dem Anpfiff ist der Kreisläufer auf der Platte zugange – mit einem kleinen weißen und schwarzen Stab, den er langsam vor seinen Augen hin und her bewegt. Ein seltsames Bild für den Laien, doch dahinter steckt eine innovative Trainingsmethode: Die Rede ist von Neuroathletik.
Neuroathletik hat vor einigen Jahren den Weg in den Profisport gefunden und ist seitdem fester Bestandteil vieler Sportler, so wie bei Sprinterin Gina Lückenkemper. Die Leichtathletin arbeitet bereits seit 2016 eng mit Lars Lienhard zusammen, einen der Wegbegründer dieser Trainingsmethode. Neuroathletik fokussiert sich auf neurologische und neurozentrierte Prozesse, insbesondere jene, die im Gehirn koordiniert und gesteuert werden. Ihr Ziel: die Leistung zu steigern und Verletzungen vorzubeugen. Mit einfachen, aber effektiven Übungen wird die Zusammenarbeit zwischen Augen, Gehirn und Bewegungsapparat geschärft – eine entscheidende Fähigkeit im Handball, wenn es um Treffsicherheit sowie um die Bewegungen der Gegenspieler geht.
Für Leu war es allerdings nicht der sportliche Ehrgeiz allein, der ihn zur Neuroathletik brachte. Er kam erstmals mit der Methode in Berührung, als er sich nach einem Kreuzbandriss im Frühjahr 2023 in der Reha befand. „Das ist durch Tommy Kreutzberg vom ASEVIDA Reha-Zentrum geschehen. Er war damals mein Reha-Trainer. Wir hatten nach meinem Kreuzbandriss viel Zeit gehabt und ich hatte den Wunsch, mal neue Sachen auszuprobieren, um mich weiterzuentwickeln. Zu der Zeit hatte Kreutzberg gerade einen Neuroathletik-Lehrgang in Magdeburg besucht. Wir hatten dann mit den ersten Übungen begonnen, was mir von Beginn an sehr gefallen hat und es dann Stück für Stück ausgebaut“, erinnert sich Leu an die ersten Schritte.
Um sein Spiel auf das nächste Level zu bringen, hat sich Leu intensiver mit dem Thema Neuroathletik beschäftigt. „Bei den Übungen mit den Stäben habe ich sofort den positiven Effekt gemerkt“, erklärt er. „Ich nehme Bewegungen schneller wahr, etwa die meines Gegenspielers in der Defensive, und kann dadurch schneller reagieren.“ Besonders beim Torwurf hat Leu davon profitiert: „Ich kann jetzt schneller zwischen Nah- und Fernsicht wechseln – das hilft enorm beim Umschalten, wenn ich den Pass empfange und im nächsten Moment in den Torwurf übergehe.“ Auch abseits der wöchentlichen Trainingseinheit im ASEVIDA Reha-Zentrum, die meist bis zu drei Stunden dauern, setzt Leu zusätzlich auf eine spezielle App. Diese hilft ihm durch gezielte Übungen die Verbindung zwischen der linken und rechten Gehirnhälfte zu stärken.
Empfehlen es auszuprobieren, rät er eigentlich jedem. „Schaden tut es nicht“, sagt er, betont allerdings: „Man muss sich die Zeit dafür nehmen.“ Für Leu ist auch Nationalspieler Juri Knorr, bei dem Neuroathletik längst fester Bestandteil der Trainingsroutine ist, ein weiteres Beispiel für den Erfolg dieser Trainingsmethode.
In dieser Saison hat er wieder zu seiner altbekannten Stärke zurückgefunden und avanciert sowohl im Angriff als auch in der Abwehr zur unverzichtbaren Stütze im System von Trainer Uwe Jungandreas. Leu hat sich in den letzten Jahren von einem talentierten Spieler zu einem starken Zweitligaspieler und Leistungsträger bei den Bibern entwickelt. Bleibt zu hoffen, dass er auch weiterhin von Verletzungen verschont bleibt und mit seinen Toren sowie seiner Abwehrarbeit dem Team hilft, die gesteckten Ziele zu erreichen.
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